Leserbrief 32: Lähmungen

Frage Sehr geehrter Herr Martin,
da ich nicht mehr weiß, was ich mit meinem Zebrafinken-Männchen machen soll, wende ich micht jetzt an Sie in der Hoffnung, daß Sie als Experte noch weiter wissen. Seit zwei Tagen kann das Männchen sich nicht mehr auf der Stange oder auf den Futter- und Wassernapfstangen halten. Es hüpft immer dort hin, schlägt wild mit den Flügeln und landet dann im Sand. Bis heute ist es immer schlimmer geworden; inzwischen liegt er nur noch mit dem Bauch im Sand und startet keine Flugversuche mehr. In den Sand gestreutes Futter wird aber nach wie vor aufgenommen.

Der Besuch beim Tierarzt hat auch nichts gebracht. Ich habe das Männchen in einer Papp-Transportbox dorthin gebracht, so daß eine Demonstration seiner "Stangen-Sitzkünste" leider nicht möglich war. Ich wollte aber auch nicht riskieren, daß der Vogel der Zugluft ausgesetzt wird. Der Tierarzt hat ihn untersucht (Gewicht, Krallen, Reflexe, Flügel) und das Tier für gesund befunden. Auf mein Drängen, daß er dies nun ganz und gar nicht wäre, hat er ein Antibiotika-Medikament verabreicht.

Der Tierarzt meinte gestern abend, entweder wäre es heute morgen besser oder der Vogel tot. Nichts von beidem ist jedoch eingetreten. Mein Zebrafinken-Männchen liegt nach wie vor im Sand, kann nicht hüpfen und nicht fliegen, frisst aber und tut mir unendlich leid. Haben Sie eine Vorstellung, was das Tier (im Übrigen 5 Jahre alt) haben und wie ich ihm helfen könnte?
Oder können Sie mir vielleicht einen Tierarzt im Ruhrgebiet nennen, der spezialisiert ist auf Ziervögel?

Falls Sie irgendeinen Rat haben, so bitte ich Sie, mir unter entweder privat unter "ziegelmann@cityweb.de" oder beruflich unter "k.ziegelmann@nwb.de" zu antworten. Für eine schnelle Hilfe wäre ich Ihnen sehr dankbar (das Weibchen ist übrigens kerngesund!).
K. Ziegelmann


Antwort Liebe Kordula Ziegelmann,
die geschilderten Lähmungserscheinungen sind für eine(n) Vogelfreund(in) wahrlich schwer zu ertragen. Ich selbst habe solches schon verschiedene Male erlebt, meist bei Wildvögeln, zweimal bei Zebrafinken.

A. Bei Wildvögeln ist meist ein Aufprall auf eine Glasscheibe oder ein Auto die Ursache der Lähmungserscheinungen, manchmal auch eine Vergiftung:

B. Bei Heimvögeln sind die Ursachen des geschilderten Krankheitsbildes, wie Sie auf meiner Seite Krankheiten "Diagnose & Erste Hilfe" nachlesen können, ähnlich:

  1. Gehirnerschütterung;
  2. Vitaminmangel;
  3. Infektion, Vergiftung;
  4. Gen-Defekt bei Jungvögeln.

(Hinzu kann noch ein sehr hohes Alter kurz vor dem Tod kommen. Die beiden Fälle bei mir waren genetisch bedingt bzw. durch eine Infektion verursacht.)

Da Sie die Ursache(n) im Falle Ihres Zebrafinken nicht kennen, aber einen genetischen Defekt in seinem Alter ausschließen können, sollte eine Therapie – wenn sie nicht schon zu spät kommt – drei Komponenten umfassen:

  1. Ruhe und ausreichende (aber nicht zu große) Wärme, d. h. Zimmertemperatur;
  2. Ein Multivitaminpräparat; am wichtigsten sind hier die B-Vitamine, die auch den durch Antibiotika verursachten Vitaminverlust ausgleichen; problematisch bei Vögeln ist, die Zufuhr sicherzustellen;
  3. Antibiotika, wie sie Ihnen Ihr Tierarzt schon verschrieben hat.

Einen auf Ziervögel spezialisierten Tierarzt zu finden, ist leider nicht leicht. Falls der Zebrafink die nächsten Tage überlebt, könnten auf meiner Website "www.vogelhaltung.de" unter "Institute für Vogelkrankheiten" nachsehen.

Mehr kann ich im Moment leider nicht tun – außer Ihrem Patienten und Ihnen alles Gute zu wünschen!

Ihr
Hans-Jürgen Martin
info@zebrafink.de
www.tierkunde.de


Frage Lieber Herr Martin,
ganz, ganz herzlichen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Antwort auf meine Anfrage vom 11. April. Leider konnte unserem kleinen Patienten wohl niemand mehr helfen. Er ist am frühen Mittwochmorgen gestorben. Wir sind alle ziemlich traurig, aber wenigstens muss er sich nun nicht mehr quälen. Wir haben ihn in unserem Garten beerdigt; die Kinder haben ihm ein Kreuz gebastelt, ein Herz gemalt und ein Blümchen gepflanzt und sind nun mit sich und ihrer Welt wieder zufrieden, weil "Eduard ein super Grab hat".

Unsere Sorge gilt nun aber der verwitweten Zebrafinken-Henne Ottilie (auch fünf Jahre alt), die ziemlich verloren in dem großen Käfig sitzt und qäukend vor sich hin ruft. Sie schreiben in Ihrem Buch auf Seite 6, daß Zebrafinken bei guter Pflege rund zehn Jahre alt werden können. Sie schreiben aber auch in Ihrem Vorwort, daß Zebrafinken ausgesprochen gesellige Vögel sind, die auf einen Artgenossen als Partner nicht verzichten können. Die Kinder beknien uns nun, für Ottilie einen neuen Mann zu kaufen, weil sie ja tagsüber doch sehr viel alleine ist. Ich hoffe, Sie finden es nicht zu unverschämt, wenn ich Sie darum schon wieder um Ihren Expertenrat zu folgenden Fragen bitte:

  1. Ist es besser für unsere Zebrafinken-Henne, allein zu bleiben, oder sollen wir für Gesellschaft sorgen?
  2. Falls Gesellschaft angebracht ist, sollte es nur ein neuer Hahn sein, oder ist es ratsamer, gleich ein neues Pärchen dazuzusetzen?
  3. Die Kinder haben sich im Zoofachgeschäft in ein Gouldamadinenpärchen verliebt. Kann man ein solches Prachtfinken-Pärchen mit unserer Witwe zusammenhalten?
  4. Können Sie den Kauf des evtl. neuen Vogels bzw. der evtl. neuen Vögel in einer Zoofachhandlung befürworten, oder würden Sie uns einen Züchter im Ruhrgebiet empfehlen?

Wir möchten uns nochmals auch im Namen unseres Zebrafinken-Weibchens ganz lieb bedanken und freuen uns auf Ihre Antwort (wieder unter "k.ziegelmann@nwb.de" oder unter "ziegelmann@cityweb.de")!
K. Ziegelmann


Antwort Liebe Frau Ziegelmann, der Tod des Männchens ist traurig, aber offensichtlich in dem geschilderten Krankheitsstadium nicht mehr zu verhindern gewesen. Zu Ihren Fragen:

  1. Natürlich sollten Sie für Gesellschaft sorgen, und natürlich gibt es dafür zwei Möglichkeiten: Entweder Sie geben das Weibchen ab, damit es Gesellschaft findet (dies nur der Vollständigkeit halber – ich weiß, daß Sie dies Ihren Kindern nicht zumuten werden), oder Sie besorgen einen Artgenossen.
    In beiden Fällen sollten Sie bedenken, daß Ihr Weibchen auch dann eine Infektionsquelle sein könnte, wenn es selbst nicht an den Erregern erkrankt ist, an denen das Männchen vielleicht gestorben ist.
  2. Am besten ist ein neuer Hahn – was natürlich bedeutet, daß Nachwuchs möglich ist. Wenn Sie keinen Zebrafinken-Nachwuchs wollen, Ihnen aber eine Geburtenkontrolle mittels Kunsteiern zu umständlich ist, kommt nur Not auch ein zweites Weibchen in Frage.
  3. Im Prinzip kann man zwar ein Gouldamadinenpärchen mit einer Zebrafinken-Witwe zusammenhalten, aber optimal ist das nicht: Vor allem, wenn die beiden brüten wollen, werden sie das Weibchen als lästig betrachten und von ihrer Gesellschaft ausschließen. Gouldamadinen sind zudem schwieriger zu halten und für Kinder sicher nicht optimal. Nicht alles, was schön bunt ist, sollten Kinder auch unbedingt haben ...
  4. Wo man am besten Zebrafinken bekommt: Das ist ein komplexeres Thema: Einen Züchter, der kommerziell züchtet und Zoohandlungen beliefert, würde ich nicht als beste Quelle empfehlen – also auch eine Zoohandlung nicht. Andererseits sind mir aber auch Privatleute suspekt, die Zebrafinken in kleinen, möglicherweise auch schmutzigen Käfigen "züchten", wo die Jungvögel dann nicht einmal richtig fliegen lernen können und ihre Flugmuskulatur von Jugend an verkümmert.
    Ideal sind solche Züchter, die ohne kommerzielle Ambitionen, aber mit Sachverstand Ihre Vögel in einer Voliere gesunde Nachkommen hervorbringen lassen. Ich werde mal versuchen, per Rund-eMail jemanden zu finden. Außerdem plane ich eine "Zebrafinken-Börse": eine Seite, auf der Zebrafinken-Freunde ihren Vogelnachwuchs anbieten können.

Zur Vergesellschaftung Ihres Weibchen möchte ich Ihnen noch zwei Tips geben:

Gruß,
Hans-Jürgen Martin



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