Leserbrief 5: Schlafnester?

Frage Seit einem halben Jahr bin ich glückliche Besitzerin eines Zebrafinkenpaares. Um dieses artgerecht zu halten, besorgte ich mir damals Ihr Buch über Zebrafinken vom Verlag Gräfe und Unzer. Darin heißt es auf Seite 19 im Kapitel "Schlaf- und Brutnester", man solle jedem Pärchen 1 bis 2 Nester geben. Zwischenzeitlich durfte ich mich auch bereits zweimal über Nachwunchs freuen, was allerdings durch das Verhalten des Pärchen etwas getrübt wurde. Bereits am 20. Tag nach dem Schlüpfen der 2 Jungen (2 Hennen), es war etwa der 2. Tag nach dem 1. Ausflug, wurden die Jungen zuerst von der Henne und nach weiteren 3 Tagen auch vom Hahn gejagt. Nur noch im Nest waren sie sicher, wo sie auch weiterhin gefüttert wurden. Sobald sie aber aus dem Nest raus wollten, begann der unerbittliche Kampf, so daß ich mich entschloß, sie trotz ihres jungen Alters von erst 3 Wochen von den Altvögeln zu trennen.
    Vor allem auch nachdem unsere Althenne "Mausi" zu den Jungen schon wieder ein Ei ins Nest gelegt hatte. Dieses "klaute" ich ihr allerdings. Nachdem ich auf diese Art und Weise etwa 30 Eier gesammelt hatte, konnte ich es nicht länger mit ansehen und ließ sie nach 3monatiger Pause zum 2. Mal brüten.

Aber das Verhalten war analog der 1. Brut, so daß ich nun den einzigen Jungvogel (diesmal ein Hahn) der 2. Brut zu den bereits erwachsenen Hennen der 1. Brut gab. Dort wurde er sogar eine Zeit lang von einer der beiden Hennen gefüttert. Die 2 Hennen der 1. Brut hatten in ihrer "Isolierungshaft" eine Gemeinschaft gebildet und begannen ihrerseits mit dem Eierlegen. Diese Gemeinschaft löste sich aber nach dem Erwachsenenwerden des Hahnes auf, und es bildete sich eine neue zwischen der einen Henne, die nicht gefüttert hatte, und dem Hahn er 2. Brut.
    Das Eierlegen und -klauen ging nun munter weiter, bei den Altvögeln als auch bei den Jungvögeln, und es ist schon soweit gekommen, daß der Hahn der Altvögel seine Henne ständig zurück ins Nest jagte, damit sie die "imaginären" Eier bebrüte. Außerdem wurden Brutversuche in der Badewanne unternommen, so daß ich die Gabe von Nistmaterial total einstellte, woraufhin der Hirsekolben dafür mißbraucht wurde.

Da ich es nicht übers Herz bringe, Jungvögel herzugeben, möchte ich keine weiteren Brutversuche mehr, und so wandte ich mich in meiner Verzweiflung an einen Züchter in unserer Nachbarschaft. Dieser war über das Verhalten unseres Pärchens sehr erstaunt, ebenso darüber, daß sich unsere zwei Junghennen mit dem einen Junghahn vertragen.
    Eines aber riet er mir sofort, damit der übermäßige Bruttrieb gemindert werde, nämlich alle (Schlaf-)Nester sowie überdachte Badewannen zu entfernen. Es drohe sonst durch die ständige Eiablage der Henne deren Tod. Und wirklich, nachdem ich dies getan hatte, ließ der Bruttrieb bzw. die Eiablage nach und hörte auf.

Aus diesem Verhalten der Tiere resultiert für mich folgendes: Zebrafinken zur Erbauung des Menschen: ohne jegliches nestähnliches Zubehör!
Zebrafinken zur Zucht: Anregung des Bruttriebes durch Nester, die aber spätestens nach dem 10. Tag des 1. Ausfluges der Jungvögel entfernt werden müssen. Dies zur Förderung der Gesundheit der Altvögel.

Da nach meiner Meinung meine gemachten Erfahrungen gegenüber Ihrem herausgegebenen Sachbuch widersprüchlich sind, bitte ich Sie, Stellung dazu zu nehmen, was ich falsch gemacht habe.
Um meine Zebrafinken nicht unnötig lange ohne Nest zu "quälen", bitte ich Sie um eine baldmögliche Antwort. Dafür bedanke ich mich schon heute im voraus und verbleibe ...

Lydia S.

Bitte entschuligen Sie diesen Nachsatz, aber gerade noch rechtzeitig vor Aufgabe dieses Briefes mußte ich zu meiner Beunruhigung eine entscheidende Verhaltensveränderung bei meinen Altvögeln feststellen: Anfangs war nur der Hahn, aber im Laufe dieser Woche ohne Nest ist nun auch die Henne fast ständig am Boden des Käfigs – sitzend in einer Ecke, dick aufgeplustert, schlafend mit eingezogenen Füßchen (Köpfchen aber nicht hinten zwischen den Flügeln!). Im Gegensatz zu früher, wo den ganzen Tag ein reges Hin- und Herfliegen war, ist es nun unheimlich ruhig geworden.
    Was hat das zu bedeuten, und was kann ich dagegen (bzw. dafür) tun, damit meine Zebnrafinken keinen Schaden erleiden?

Lydia S., München


Antwort Meine Empfehlung, Zebrafinken dauerhaft (ein bis) zwei Brutnester zur Verfügung zu stellen, gründet sich auf die gesicherte Erkenntnis der Verhaltensforschung an freilebenden Zebrafinken, daß diese Vögel zu den Nestschläfern gehören, also üblicherweise in sogenannten Schlafnestern übernachten. Tierhaltung sollte in erster Linie dem natürlichen Verhalten einer Art Rechnung tragen, nicht der Erbauung ihrer Besitzer.

Andererseits leiden Zebrafinken nicht sofort, wenn sie mal ein paar Tage lang ohne Schlafnest sind – das aufgeplusterte Schlafen in einer Käfigecke weist vielmehr auf eine sehr ernsthafte Erkrankung hin. Ich kann leider aufgrund Ihrer Beschreibung nicht ausschließen, daß ihr Pärchen längst gestorben ist.

Das von Ihnen geschilderte Jagen des Nachwuchses ist in der Zebrafinkenhaltung erst nach mindestens ein bis zwei Wochen und nur bei beengter Haltung üblich, wobei sich das Männchen allerdings mehr "hervortut" als seine Partnerin. Das von Ihnen geschilderte Jagen schon zwei Tage nach dem Ausfliegen und hauptsächlich durch das Weibchen ist meiner Erfahrung und Kenntnis nach völlig ungewöhnlich – plausibel läßt es sich eigentlich nur auf eine artwidrig enge Käfigung zurückführen, was aber solange nur eine Vermutung bleiben muß, wie ich über die Maße Ihrer Voliere / Ihres Käfigs nicht informiert bin. Das Verjagen des Nachwuchses ist in der Natur völlig natürlich, aber auch völlig ungefährlich, da die Jungen selbstverständlich ihren unduldsamen Eltern ausweichen und deren Individualdistanzen respektieren.

Ich erinnere an § 2 des Tierschutzgesetzes: "Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, 1. muß dem Tier ..., 2. darf die Möglichkeiten des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, daß ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden." Daß diese Bestimmung millionenfach mißachtet wird, sollte kein Grund sein, ihr nicht gewissenhaft Rechnung zu tragen – ich finde es traurig, daß eine solche Bestimmung überhaupt nötig ist. Die artgemäße Bewegung eines Vogels ist bekanntlich in der Regel das Fliegen – das Springen vieler Käfigvögeln mit kurzem "Flügelheben" hat damit nichts zu tun.

Problemlos dürfte die Pflege eines Paares ab einer Käfiglänge von 1,20–1,50 Metern sein. Ich habe in meinem Eß- und Arbeitszimmer zwei solcher Kleinvolieren zu einer Gesamtlänge von 2,40 m zusammengestellt. Die Vögel können so jeweils 2 Meter lang fliegen, was ihrer Kondition sichtlich zugute kommt. Diese wird auch nicht durch langes Brüten gefährdet, wohl aber durch kräftezehrendes Gebären, sprich Eierlegen. Ich empfehle Ihnen daher, die ersten ungewünschten Eier durch Kunsteier zu ersetzen und weiteren Brutversuchen durch Entzug von Nistmaterial (wie schon geschehen), Keim- und Aufzuchtfutter zu begegnen; das entspricht in etwa den klimatischen Bedingungen der inneraustralischen Trockenperioden, die bekanntlich alle Brutversuche bis zu den Regenzeiten hinauszögern.



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