(Ab)Originale Kultur

Australische Kultur sollte nicht aus einer romantischen, zivilisationskritischen Aussteigermentalität betrachtet werden, die den Überlebenskampf in der australischen Steppe als paradisisch verklärt: Kultur ist Ausdruck einer überlieferten, weil bewährten Lebens- und Überlebenskunst, die sich schneller und flexibler als genetische Mutation an dynamische Umweltbedingungen anzupassen vermag – Leid und Entbehrungen eingeschlossen. Da sich die Aborigines an vielfältige Umweltbedingungen auf ihrem riesigen Kontinents anpassen mußten, sind auch ihre Kulturen teilweise sehr unterschiedlich, aber auch in vielerlei Hinsicht sehr ähnlich.
      Eine deutlich andere Kultur weisen nur die Torres Strait Islanders auf, die auf den Inseln in der Meerenge zwischen der Kap-York-Halbinsel und Neuguinea leben und melanesischen Ursprungs sind.

In ihren heroischen Sagas führen die Australier ihre tiefe, religiöse Verbundenheit mit ihrem Land auf die "Traumzeit" zurück, als ihre tierischen Vorfahren das Land in seiner heutigen Topographie, die Flüsse, die Pflanzen, Tiere und Menschen schufen. Diese Vorstellung dokumentiert sich noch heute im Totem bzw. "Dreaming" eines Menschen: Ein Tier (oder auch ein Ort), das einer werdenden Mutter ihre Schwangerschaft bewußt macht, wird als Manifestation eines Vorfahrs angesehen, der den neuen Menschen sein Leben lang begleitet. Hier wird vielleicht auch dem Europäer klar, daß die Verbindung zwischen Mensch und Land für den Ureinwohner eine existentielle ist.

Australier sind meist nicht in "Stämmen", also größeren politischen Einheiten organisiert, sondern in Familien und örtlichen Kleingruppen, die jeweils mehrere Familien umfassen. Kleingruppen bestehen zudem aus "Clans", womit Gruppenmitglieder gemeint sind, die vom selben mythischen Vorfahr abstammen und dieselbe Verantwortung gegenüber ihrem Land wahrnehmen.

Typisch sind die Lebensweisen im ariden zentralaustralischen outback: Die Lebensverhältnisse sind dort so extrem und die Wasser- und Nahrungsquellen so knapp, daß Menschen nur in sehr kleinen Gruppen und unter vielen Entbehrungen überleben konnten. Die nächste Gruppe war oft sehr weit weg, daß ein Genaustausch zur Vermeidung von Inzucht sehr schwierig war. Die Aborigines meisterten diese Verhältnisse, indem jedes neue Gruppenmitglied einen von acht weiblichen bzw. acht männlichen Namen erhielt, der aber nicht frei vergeben werden konnte, sondern jeweils von den Namen der Eltern abhing. Außerdem bestimmte der Name auch den zukünftigen Ehepartner, der aber nicht derselben Generation angehören durfte: Während Frauen bereits in sehr jungen Jahren heirateten und aufgrund der großen körperlichen Entbehrungen nur wenige Jahre lang Kinder bekommen konnten, mußten sich Männer erst jahrelang als Jäger im Busch "bewähren", bevor sie zur Gruppe zurückkehrten und heirateten. Die Wirksamkeit dieses "Zuchtprogramms" wurde in jüngerer Zeit durch Computersimulation bewiesen.

Die Verbundenheit der Menschen mit ihren Land führt logischerweise auch zu einer genauen und umfassenden Kenntnis der auf ihrem Land lebenden Pflanzen und Tiere, der Zeichen der Natur, wann sie verfügbar sind, und der Zubereitungsarten. Das vielfältige pflanzliche und tierische Nahrungsangebot, das der Busch zum Überleben bereithält, wird im Englischen als bush tucker bezeichnet.


ZF-Leitseite  ZF-Homepage  ZV-Homepage nach oben | TOP | naar boven Werkzeuge